Auch Michael geht es ähnlich:
Auch Silvia (Name geändert), eine Teilnehmerin aus meinem Kurs „Essverhalten verstehen und managen“ kennt diese Situation.
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Bei unseren letzten Treffen berichtete Silvia stolz, dass sie zwar noch immer Kinderriegel isst, jedoch deutlich weniger und wenn, dann mit Genuss. Und sollten sie Heißhungerattacken überfallen, dass weiß sie, wie Sie damit umgehen kann. Und heute möchte ich dir erzählen, welche tolle Coaching-Technik ihr dabei geholfen hat, ihre Heißhunger-Attacken in den Griff zu bekommen.
Es gibt sehr viele verschiedene Gründe für Heißhunger. Dieses Thema verdient einen eigenen Beitrag, weshalb ich hier nur drei grundlegende „Varianten“ ansprechen möchte. Daneben gibt es Heißhunger, der beispielsweise durch Hormone oder diverse Erkrankungen wie Bulimie ausgelöst wird. Im Allgemeinen unterscheide ich zwischen physischem und emotionalem Heißhunger sowie Gewohnheitshunger.
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PHYSISCHER HEIßHUNGER
Der physische Heißhunger ist der typische Heißhunger. Er ist gekennzeichnet durch einen unglaublich hohen Drang nach etwas Süßem, Salzigem oder Fettem. Dieser Heißhunger weist dich darauf hin, dass dein Körper nicht die Nährstoffe bekommen hat, die er benötigt. Michaels Ernährungsverhalten (wie oben beschrieben) ist klassisch dafür. Baustoffe und Vitalstoffe (Vitamine, Spurenelemente, etc.) braucht unser Körper unbedingt, sie können jedoch nicht gespeichert werden. Bekommt dein Körper diese Nährstoffe nicht, löst er folgendes Signal aus: „ESSEN! SCHNELL!“ und das verspürst du dann in Form von Heißhunger.
So bekommst du deinen Heißhunger in den Griff:
Achte darauf, dass du genug Nährstoffe zu dir nimmst. Hierzu lies dir am Besten meinen Beitrag XY durch und wende dich ggf. an DiätologInnen oder ErnährungswissenschaftlerInnen – sie unterstützen dich gerne.
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GEWOHNHEITSGUSTO
Angenommen, du hast gegessen und nach dem Essen verspürst du ein unglaubliches Verlangen nach etwas Süßem. Hier kann die Ursache pure Gewohnheit sein. Der Russische Forscher Pawlow hat sehr viel zum Thema Gewohnheiten geforscht. Sehr bekannt sind seine Versuche mit Hunden. Pawlow hat beispielsweise jedes Mal bevor er den Hund gefüttert hat, mit einer Glocke geläutet. Schon kurze Zeit später wusste der Hund, dass es etwas zu essen gibt, wenn die Glocke läutet. Die Folge war, dass der Hund schon alleine beim Ertönen der Glocke Speichelfluss hatte. Das nennt man klassische Konditionierung. Das kann bei uns Menschen ebenso geschehen. Isst du nach dem Essen immer etwas Süßes, ist dein Körper darauf programmiert und verlangt in Form von sehr starkem Gusto nach deinem Dessert.
Isst du ganz automatisch nach dem Essen etwas Süßes? Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass auch du deinen Körper auf eine Dosis Zucker konditioniert hast.
So bekommst du deinen Heißhunger in den Griff:
Um den „Gewohnheitsgusto“ in den Griff zu bekommen, musst du dein bisheriges Verhalten auflösen. Dazu verlängere das Zeitintervall bis du etwas Süßes holst. Warte nach dem essen ca. 10 – 20 Minuten ab und wenn du dann noch immer etwas Süßes willst, dann hol´ dir etwas. Lenk dich während dieser 20 Minuten ab und mach etwas, das du genießt oder gerne tust. Falls das Verlangen zu stark ist, dann folge der unten beschriebenen Übung.
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Echter EMOTIONALER HEIßHUNGER
Vielleicht hattest du einen sehr stressigen Tag. Einen Tag, an dem viel schief gelaufen ist? Du wurdest gekränkt oder vielleicht ist ein Projekt nicht so verlaufen, wie du es wolltest? Du hattest ein Konfliktgespräch oder es gab Probleme mit KundInnen, KollegInnen oder deiner Führungskraft? Dein Alltag war allgemein sehr stressig und nun bist du erschöpft? Beantwortest du eine dieser Fragen mit „Ja“ oder dir fällt ein ähnliches Szenario ein, dann klingt das eindeutig nach emotionalem Heißhunger.
Und so bekommst du diesen Typ Heißhunger in den Griff:
Lies dir diesen Text zuerst durch und dann schließe deine Augen und mach die Übung wenn du Zeit und Ruhe hast. Stell´ dir mal eine für dich typische Situation vor, in der du in den letzten paar Tagen so einen Heißhungeranfall hattest. Lass´ die Situation wie eine Filmszene vor deinem geistigen Auge ablaufen. Versuch´ dich daran zu erinnern wann genau du Heißhunger verspürt hast und erinnere dich daran wann du dir deine ersehnte Süßigkeit (Graving food) geholt und gegessen hast. Beobachte mal die Zeit zwischen dem Entstehen des starken Verlangens (Graving) und dem essen deines Graving-Lebensmittels. Wie viel Zeit lag dazwischen? Waren es 10 Minuten? 5 Minuten? Wohl eher nicht oder? Sehr wahrscheinlich ist, dass nur wenige Sekunden oder wenige Minuten dazwischen lagen. Man nennt das Impulshandlung. Du verspürst das Verlangen und gehst dem entweder sofort und fast unmittelbar dem Impuls nach. Du holst dir etwas. Emotionaler Heißhunger entsteht immer auf Grundlage eines Impulses. Meistens gehen wir dem Impuls, ohne weiter darüber nachzudenken, nach. Dazu später mehr.
Erwecke das Surfer-Girl in dir und spring in die Welle
Stell dir vor, du machst einen Spaziergang am Strand, das Wasser fließt sanft auf den Strand hinaus und wieder zurück in den Ozean. Das Wasser umspült deine Füße und du spürst das kühle, sanfte Nass auf deinen Füßen. Ein warmes Lüftchen weht und du merkst, wie der Wind von Minute zu Minute stärker wird. Mit der Stärke des Windes beginnt auch das Wasser, das du auf deinen Füßen spürst, unruhiger zu werden. Du kannst sogar die Energie der Wellen hören, wenn sie auf den Strand treffen. Du kannst beobachten, wie die Wellen im Meer höher werden, sich aufbäumen und durch die Kraft des Soges ein Strudel unter der Welle entsteht. Am Strand bist du sicher, hast einen festen Boden unter den Füßen und die Kraft der brausenden Wellen machen dir nichts aus.
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Szenenwechsel: Diesmal bist du nicht am Strand, sondern im Wasser. Du schwimmst in Strandnähe und das Meer wird unruhiger. Die Wellen werden höher und du merkst, wie das Wasser zunehmend über deinen Kopf schwappt. Du spürst die zunehmende Kraft des Wassers. Würdest du in das Zentrum einer Welle geraten, würde sie dich mitreißen. Sie ist so stark, dass du nichts dagegen ausrichten kannst, du hast keinen Halt, keinen Griff, bist der Welle ausgeliefert. Das macht Angst und erzeugt Unsicherheit...
Was wäre, wenn ich dich mit folgender Fähigkeit ausstatte: Du bekommst ein Surfbrett von mir. Ein tolles, starkes Brett. Es ist ein magisches Brett. Auch wenn du noch nie auf einem Surfbrett gestanden bist, auf diesem hier kannst du stehen. Du verwandelst dich in ein Surfer-Girl, das locker und lässig auf diesem Brett steht. Die brausende Welle ist unter deinem Brett und du stehst mit beiden Beinen fest darauf. Diesmal nutzt du die Kraft der Welle um an den Strand zu surfen. Sie trägt dich. Es ist vorbei, die Welle reißt dich nicht mehr mit, DU nutzt die Kraft der Welle um auf ihr zu reiten. Schlussendlich kommst du sicher am Strand an.
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Möglicherweise dauert es ein paar Minuten und vielleicht hast du hast ein paar Wasserspritzer abbekommen, aber das war´s auch schon. Nun kannst du stolz auf dich sein.
Und genau dieses Bild wirst du dir für deine nächste Heißhunger-Attacke mitnehmen. Diese Technik aus der Achtsamkeitsforschung nennt sich „Urge surfing“ und kommt ursprünglich aus dem Suchtbereich. Sie wurde von den beiden Therapeuten Marlatt und Gordon (1985) geprägt.
Hinter dem Ansatz steckt die Hypothese, dass das starke Verlangen (das Graving) in bestimmten Situationen von Triggern ausgelöst werden, wobei das Graving nach kurzer Zeit wieder abklingt (Brewer et al., 2019). Diese Hypothese wird durch aktuelle neurophysiologische Forschungsarbeiten unterstützt. Neuere Arbeiten gehen davon aus, dass es sich beim Graving um ein konditioniertes Verhalten handelt – so wie bei dem Hund von Pawlow. Der Unterschied ist, dass wir statt der Glocke andere Auslösereize haben, wie zum Beispiel Emotionen. Oftmals sind uns diese aber gar nicht bewusst, es sind unbewusste Triggerreize. Durch das Umlenken der Aufmerksamkeit auf die aktuelle Erfahrung, also auf das Graving, ist es möglich, diese automatisierten Handlungen aufzulösen und den Autopiloten abzustellen.
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Ziel dieser mentalen Technik ist es also, die Graving-Welle (dieses aufkommende Gefühl des Verlangens) bewusst auszuhalten, also quasi auf der Welle zu surfen. Meist verschwindet das Verlangen nämlich schon nach ein paar wenigen Minuten. Schaffst du es, diese wenigen Minuten zu überbrücken, ist das Verlangen in der Regel vorbei. Am Besten du probierst es einfach einmal aus. Ich selbst habe sehr positive Erfahrungen mit der Übung gemacht und auch meine Coaching-KlientInnen und KursteilnehmerInnen sind davon begeistert.
Gehe folgendermaßen vor:
Herzlichen Glückwunsch – du bist nun ein Wellenreiter!
Tipp: Übe die Technik am Besten zuerst an kleinen Dingen. Versuch zuerst auf kleinen Wellen zu reiten. Ein untrainierter Surfer wagt sich auch nicht gleich an die Monsterwelle. Wenn es funktioniert, dann freu dich. Wenn nicht, dann war es eine Übungseinheit – sei stolz, dass du geübt hast. Das nächste Mal geht es vielleicht schon etwas besser.
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